Ranavirus

Ranavirus ist eine Gattung von Viren aus der Familie der Iridoviridae mit weltweiter Verbreitung. Mindestens 91 Amphibienarten in 14 Familien aus Nord- und Südamerika, Europa, Asien, Australien und Afrika sind betroffen. Die Ranaviren sind nach dem Chytridpilz Bd die zweithäufigste infektiöse Ursache für das Sterben von Amphibien. Es gibt nach ICTV mit Stand März 2021 sieben gelisteten Virusarten (ATV, CMTV, EHNV, ENARV, FV3, SCRV, SGIV). Drei davon befallen hauptsächlich Amphibien (FV3, CMTV, ATV) und vier Fische (EHNV, ENARV, SCRV, SGIV). Ebenfalls betroffen sein können Reptilien. Neben den genannten Virusarten gibt es zahlreiche weitere Kandidaten, die noch gelistet werden sollten. Die Einteilung als Stämme oder Arten bei Viren ist zudem nicht immer einfach. Dazu können sich die Viren rasch weiterentwickeln und neue Eigenschaften annehmen. Eine Rekombination von zwei oder gar noch mehr Viren unter Bildung eines neuen Virus ist ebenfalls möglich. Es wird davon ausgegangen, dass alle Viren der Gattung Ranavirus aus einem Fischvirus hervorgegangen sind (Jancovich et al. 2010 [1]). Infektionen mit Ranaviren richten häufig umfangreiche Schäden an mehreren Organen, insbesondere bei der Leber von Amphibien, Fischen aber auch Reptilien (Miller et al. 2015 [2]). Die Ranaviren können theoretisch auch Säugetiere infizieren, allerdings gelingt dies nur wenn die Temperatur unter 32°C liegt (Gray et al 2015 [3]). Die Ranavirus-Epidemien bei Amphibien und Fischen beginnen normalerweise im mittleren bis späten Sommer, während Ausbrüche bei Reptilien unregelmäßig auftreten. Von den drei Ranavirusarten (FV3, CMTV und ATV), die bekannt sind Amphibien zu befallen, wurden FV3 oder FV3 ähnliche Viren und CMTV oder CMTV ähnliche Viren in Europa nachgewiesen. ATV ist bisher nur im Zusammenhang mit Infektionen von Salamander im Westen der Vereinigten Staaten bekannt.

Frog Virus 3 (FV3)

FV3 war das erste Ranavirus, dass entdeckt wurde. Es wurde in den Leopardfröschen (Lithobates pipiens), die wegen Niertumoren untersucht wurden, entdeckt (Granoff et al. 1966 [4]). Wobei die Tumoren bei den Leopardfröschen nicht von FV3 sondern von einem Herpesvirus (RaHV1) ausgelöst wurden. Neben FV3 wurde übrigens auch noch ein weiteres Herpesvirus, das RaHV2 (auch FV4 gennant) in den Leopardfröschen entdeckt. Der Krebsforschung verdanken wir das vorzeitige Bekanntsein dieser drei Viren. FV3 Ausbrüche sind auf der ganzen Welt aufgetreten, einschließlich Nordamerika, Südamerika (Brasilien, Uruguay, Venezuela), Europa (Kroatien, Dänemark, Deutschland, Niederlande, Spanien, Vereinigtes Königreich, Schweiz), Asien (China, Japan) und Australien.

Lokaler Rückgang von Grasfröschen in Grossbritannien
In Europa machte sich FV3 erstmals 1985 mit dem lokalen Grasfroschsterben (Rana temporaria) in Großbritannien, inbesondere im Süden und Osten Englands, bemerkbar (Cunningham et al. 1996 [5]). Seitdem haben die durch FV3 verursachten Sterblichkeitsereignisse von Grasfröschen in Grossbritannien erheblich zugenommen (vgl. Abbildung 1). Es wird vermutet, dass FV3 in den 80er Jahren aus Nordamerika nach Großbritannien gelangte. An den Ausbruchstellen in England wurden langfristige Bestandeseinbrüche bei den Grasfröschen von bis zu 80 % festgestellt (Teacher et al. 2010 [6]). Im Gegensatz zu Nordamerika, wo betroffene Arten wie zum Bsp. der Eisfrosch (Lithobates sylvaticus) und andere Arten oft als Kaulquappen sterben (Gray et al. 2009 [7]), werden tote Grasfrösche (Rana temporaria) hauptsächlich als Erwachsene während den Sommermonaten beobachtet (Cunningham 2001 [8]). Die Grasfrösche zeigen dabei Symptome wie Blutungen oder Geschwürbildungen (vgl. Abbildung 2). Im Labor wurden Kaulquappen von Grasfröschen und Erdkröten während 30 Tagen an FV3 ausgesetzt, dabei kam es bei sehr hohen Dosis von FV3 zu einer hohen Sterblichkeitsrate bei den Grasfrosch Kaulquappen, die Kaulquappen der Erdkröten hingegen waren einiges resistenter (Duffus et al. 2014 [9]).

Abbildung 1: Ranavirus Mortalitätsereignissen in Großbritannien von 1992-2010
© Price et al. 2016

Abbildung 2: An Ranavirus erkrankter Grasfrosch (Rana temporaria) mit Hautgeschwüren und Verlust von Zehen.
© Zoological Society of London

Gesunde Grasfrösche zeigen mehrheitlich kaum oder keine Symptome
Eine FV3-Infektion führt bei Kaulquappen und gestressten Erwachsenen zum Tod, verursacht jedoch bei gesunden erwachsenen Grasfröschen oft nur nicht sichtbare subklinische Infektionen und heilt innerhalb von zwei Wochen ab. Es ist wahrscheinlich, dass Umweltstress, der zu einer Immunsuppression führt, die Pathogenität von Ranavirus-Infektionen erhöht.

Andere betroffene Arten
Neben den Grasfröschen konnte eine Mortalität im Zusammenhang mit FV3 auch an anderen Amphibien Europas wie Erdkröte (Bufo bufo), Geburtshelferkröte (Alytes obstetricans), Teichfrosch (Pelophylax esculenta), Seefrosch (Pelophylax ridibunda), Teichmolch Lissotriton vulgaris) und Bergmolch (Ichthyosaura alpestris) nachgewiesen werden (Miller et al. 2011 [10]). Es ist davon auszugehen, dass auch noch weitere Amphibienarten in Europa Träger von FV3 sein können. Ein vergleichbares Massensterben wie bei den Grasfröschen in Grossbritannien konnte bei den anderen Europäischen Arten allerdings bisher nicht beobachtet werden. Desweiteren ist der Mechanismus von FV3 noch unbekannt. So ist nicht klar, weshalb zahlreiche Arten weniger betroffen resp. resistentere und asymptomatische Träger sind.

Massensterben von Kaulquappen und Metamorphlingen der Erdkröte wegen einer Kombination von Krankheitserregern?
Im europäischen Teil von Russland wurde in einem Teich im Oblast Moskau über Jahre hinweg immer wieder tote Kaulquappen und Metamorphlinge von Erdkröten beobachtet. 2011 konnte bei einer Untersuchung FV3 oder ein FV3 ähnliches Virus und der Chytridpilz Bd festgestellt werden (Reshetnikov et al. 2014 [11]). Es ist die erste Dokumentation in der Natur Russlands von diesen zwei Krankheitserregern überhaupt. Es wird jedoch davon ausgegangen, dass weitere Faktoren (zum Bsp. toxische Algenblüte, Sauerstoffgehalt, etc.) oder weitere Krankheitserreger für die tödlichen Erreignisse verantwortlich sind. Dieser ungelöste Fall zeigt, wie komplex die Biologie von Krankheitserregern sein kann.


List of sources

[1] J. K. Jancovich, M. Bremont, J. W. Touchman, B. L. Jacobs, 2010: Evidence for Multiple Recent Host Species Shifts among the Ranaviruses (Family Iridoviridae). J Virol. 2010 Mar; 84(6): 2636–2647 link

[2] D. Miller, A. Pessier, P. Hick, R. Whittington, 2015: Comparative pathology of ranaviruses and diagnostic techniques. In: Gray MJ, Chinchar VG, editors. Ranaviruses. Springer International Publishing; Cham: 2015. pp. 171–208 link

[3] M. J. Gray, G. V. Chinchar, 2015: Ranaviruses: lethal pathogens of ectothermic vertebrates. Cham: Springer International Publishing; 2015 link

[4] A. Granoff, P. E. Came, K. A. Rafferty, 1965: The isolation and properties of viruses from Rana pipiens: their possible relationship to the renal adenocarcinoma of the leopard frog. Ann N Y Acad, Sci 126:237—255 link

[5] A. A. Cunningham, T. E. S. Langton, P. M. Bennett, J. F. Lewin, S. E. N. Drury, R. E. Gough & S. K. MacGregor, 1996: Pathological and microbiological findings from incidents of unusual mortality of the common frog (Rana temporaria). Phil. Trans. Roy. Soc. B 351, 1539-1557 link

[6] A. G. F. Teacher, A. A. Cunningham, T. W. J. Garner, 2010: Assessing the long‐term impact of ranavirus
infection in wild common frog populations.
Anim Conserv 13:514–522 link

[7] M. J. Gray, D. L. Miller, J. T. Hoverman, 2009: Ecology and pathology of amphibian
Ranaviruses.
Dis. Aquat. Org. 87, 243-266 link

[8] A. A. Cunningham, 2001: Investigations into mass mortalities of the common frog (Rana temporaria) in Britain: epidemiology and aetiology. Royal Veterinary College (University of London) (cited 9 May 2013) link

[9] A. L. J. Duffus, R. A. Nichols, T. W. J. Garner, 2014: Experimental evidence in support of single host maintenance of a multihost pathogen. Ecosphere 5(11):142 link

[10] D. Miller, M. Gray, A. Storfer, 2011: Ecopathology of ranaviruses infecting amphibians. Viruses. 2011 Nov;3(11):2351-73 link

[11] A. N. Reshetnikov, T. Chestnut, J. L. Brunner, K. Charles, E. E. Nebergall, D. H. Olson, 2014: Detection of the emerging amphibian pathogens Batrachochytrium dendrobatidis and ranavirus in Russia. Dis. Aquat. Org. 110, 235–240 link